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Mindestens einmal im Leben hat jeder von uns allein wegen des Covers nach einem Buch gegriffen: sei es wegen eines eigentümlichen Fotos, eines auffälligen Titels oder ganz im Gegenteil wegen eines schlichten, nüchternen Designs. Das Cover eines Buchs muss so gestaltet sein, dass es den Blick des Lesers auf sich zieht, ganz gleich ob es in einer Bücherei oder einer Buchhandlung steht. „Chip Kidd sagte einmal, dass Buchhandlungen wie Diskotheken seien: Man hat nur 3, maximal 5 Sekunden, um aufzufallen. Natürlich kann man sich bewusst nachlässig kleiden, aber dann muss man sich darüber im Klaren sein, dass die Chancen, bemerkt zu werden, gleich Null sind. (…) Darum ist das einzig Vernünftige in dieser Situation, ein klares Element zu finden, einen Kernpunkt, der die gesamte Aufmerksamkeit auf sich lenkt“, erklärt Ottavio Di Brizzi, Leiter Sachbuch beim italienischen Marsilio-Verlag.
Illustratoren und Grafikdesignern kommt die wichtige Aufgabe zu, das Buch mithilfe einer originellen, fesselnden grafischen Gestaltung noch attraktiver zu machen. Mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln – Bildern, Farben, Fonts und Grafikelementen – muss es ihnen vor allem gelingen, einen klaren, verständlichen Eindruck des Inhalts zu erzeugen, um beim Leser bestimmte Gedanken oder Gefühle auszulösen. Schließlich geht es darum, das geeignetste Zielpublikum für das betreffende Buch zu finden, indem dessen Neugier geweckt wird.
Wir haben aus diesem Grund neun besonders spannende Buchcover für all jene ausgewählt, die ihre Kenntnisse in Sachen Covergestaltung ausbauen möchten.
„The Gone-Away World“
Das Cover des Debütromans des britischen Schriftstellers Nick Harkaway, der zwischen Science-Fiction, Horror und Thriller angesiedelt ist, verknüpft wirkungsvoll die verschiedenen Elemente des surrealen Abenteuers, bei dem die beiden Protagonisten mit den Bedrohungen „der gelöschten Welt“ (so der Titel der deutschen Übersetzung) zu kämpfen haben.
Interessant ist ein Vergleich zwischen dem Cover der US-amerikanischen Ausgabe, die von Evan Gaffney gestaltet wurde, und jenem der italienischen Übersetzung, auf der eine Illustration des englischen Künstlers Mark Brown abgebildet ist. Die US-Version mit „deformierter“ Schrift und verzerrter Perspektive spiegelt perfekt die Dimension wider, in die der Leser entführt wird. Eine Dimension, die laut einer Leserrezension „eine Parabel der menschlichen Existenz darstellt, in der sich die Hauptfigur mit einer Welt konfrontiert sieht, die regelrecht auf ihn einstürzt und die den Leser sprachlos zurücklässt“. Die gewählte Grafik ist ein Beispiel dafür, wie ein Gefühl der Verwirrung im Leser einzig und allein durch eine geänderte Ausrichtung der Buchstaben erzeugt wird.
Das Cover der italienischen Mondadori-Ausgabe bildet die beunruhigende Atmosphäre ab, in der die Geschichte spielt – eine Welt voller monströser Kreaturen, kannibalischer Hunde und Ninja-Kämpfer: Die Zeichnung scheint aus einem Märchen für Kinder zu stammen, wodurch das Ergebnis eine noch verstörendere Wirkung erzielt.
„Borne“
Das rätselhafte Cover der italienischen Ausgabe des Romans „Borne“ von Jeff VanderMeer, der im Februar 2018 bei Einaudi erschien, wurde vom italienischen Illustrator und Designer Lorenzo Ceccotti, alias LRNZ geschaffen. Eine von einem schmalen, hellblauen Kreis umgebene leuchtende Kugel, die auf mysteriösem grauen Fell ruht, weckt die Neugier des Betrachters und lädt ihn ein, in das bizarre Universum des Autors einzutauchen, in dem die Protagonistin und ihr Begleiter, Überlebende einer Klimakatastrophe, auf Borne treffen, eine seltsame Kreatur – halb Tier, halb Pflanze.
Die Illustration ist ein perfektes Abbild der postapokalyptischen Zukunft, von welcher der Meister des „New Weird“ – ein Literaturgenre, das Elemente aus Fantasy, Science-Fiction und Horror verknüpft – erzählt.
„The Psychopath Test: A Journey Through the Madness Industry“
Das 2011 erschienene Werk des Journalisten und Dokumentarfilmers Jon Ronson ist eine Reise durch die Welt der Psychopathen und der Gesundheitsindustrie, die sich mit dem psychischen Wohlbefinden auseinandersetzt: Dabei tritt zutage, dass auch an den Schalthebeln der Macht und selbst in den Berufsgruppen, die diese Krankheiten behandeln und erforschen sollten, zahlreiche mental gestörte Menschen zu finden sind.
Das Design, das auch für die deutsche Ausgabe „Die Psychopathen sind unter uns: Eine Reise zu den Schaltstellen der Macht“ verwendet wurde, stammt vom Illustrator Matt Dorfman und vermittelt in herausragender Weise die Persönlichkeitsstörungen, die Psychopathen zugeschrieben werden: Das „zerrissene Papier“ ist ein perfektes Sinnbild für den „Bruch“, den die psychische Krankheit im menschlichen Gehirn verursacht. Die Wahl Dorfmans zeigt, wie einem Cover durch die Verwendung gezielt erarbeiteter Grafiken eine Art Stofflichkeit verliehen werden kann.
„The Sickness Unto Death“
Der Buchdesigner David Pearson entwarf dieses Cover für das beim Penguin-Verlag erschienene philosophische Werk „The Sickness Unto Death“ („Die Krankheit zum Tode“) von Søren Kierkegaard. Pearson verwendet erhabene Buchstaben, um das Hauptthema des Buches zum Ausdruck zu bringen: Die Verzweiflung, die vom dänischen Philosophen als Krankheit des Geistes beschrieben wird, aufgrund derer der Mensch den Tod herbeisehnt.
Das im Werk behandelte Thema „Tod“ wird durch die schwarze Farbe, die ungleichmäßige Größe des Fonts und den fehlenden Zeilenabstand, durch den die Buchstaben zu einer chaotischen Ansammlung aufgewühlter, schlecht lesbarer Zeichen verkommen, wirkungsvoll verdeutlicht. Eine hervorragende Anregung für Illustratoren, die für die Gestaltung eines Covers auf der Suche nach einer düsteren Stimmung sind.
„Black Transparency: The Right to Know in the Age of Mass Surveillance“
Das Cover dieses Buchs wurde von den Autoren des Werks selbst gestaltet: den Inhabern der Designagentur Metahaven. Es repräsentiert auf beispielhafte Weise das Konzept der „schwarzen Transparenz“, die der Politik aufgrund der Tätigkeiten von Hackern und Spionen aufgezwungen wird, welche das Durchsickern geopolitisch relevanter Nachrichten nutzen, um ihre Ziele zu erreichen. Das bekannte Duo aus Amsterdam, Vinca Kruk und Daniel van der Velden, ist mit politischen Themen durchaus vertraut, arbeiteten doch beide etliche Jahre für WikiLeaks und entwarfen deren Merchandisingprodukte.
Ihr Coverdesign ist sehr interessant, denn es gelingt ihnen, ein komplexes Thema mithilfe einer relativ simplen, aber wirkungsvollen Idee zu vermitteln: Fragmente eines Bildes überlagern den Titel und erinnern an Geheimnisse, die durch Schlüssellöcher aus den Räumen der Mächtigen an die Öffentlichkeit dringen.
„Viaggio in Islanda“
Falls Sie der Meinung waren, dass es kein Cover ohne Buchtitel geben könnte, müssen wir Sie enttäuschen: Hier die Ausnahme von der Regel. Der Buchumschlag, der von der Jury der Ausstellung „Buona la prima“ im Rahmen der Mailänder Buchmesse „Tempo di libri“ 2018 prämiert wurde, ist ein perfektes Beispiel dafür, wie ein weißes Cover ohne Text die Aufmerksamkeit des Lesers wecken kann – mehr noch als ein knalliges Bild. Der Entwurf von Guido Scarabottolo, der das Werk auch verfasste, eignet sich gemäß dem Kurator der Ausstellung Stefano Salis perfekt für ein Kunstwerk und etwas weniger gut „für ein Buch, von dem mehr als 300 Exemplare verkauft werden sollen“.
Eine mutige Wahl, welche die metaphysische und traumähnliche Stimmung dieses Notizbuchs widerspiegelt, eine Graphic Novel, die von einer imaginären Entdeckungsreise erzählt. Auch am Ende hält der Herausgeber eine Überraschung bereit: Auf der Rückseite des Schutzumschlags findet der Leser sämtliche Zeichnungen dieses Bands. Eine interessante Anregung für all jene, die das Cover eines Nischenprodukts planen.
„The Great Gatsby“
Eines darf in dieser Übersicht nicht fehlen: Das Cover der Erstausgabe des Meisterwerks von Francis Scott Fitzgerald „The Great Gatsby“ gehört zu den bekanntesten in der Geschichte des Verlagswesens. Seit jeher gab es Befürworter und Gegner dieses Covers, das am Ende nicht einmal mehr Fitzgerald selbst gefiel. Als 2013 eine neue Ausgabe in den amerikanischen Buchhandlungen auslag, auf deren Cover Leonardo Di Caprio zu sehen war (der den Protagonisten im kurz zuvor veröffentlichten Film spielte), entbrannte ein regelrechter Glaubenskrieg zwischen den Fans des alten Einbands und jenen, die die Notwendigkeit herausstrichen, einer stets nach Neuheiten gierenden Leserschaft ein augenscheinlich neues Produkt anzubieten.
Die Arbeit des spanischen Illustrators Francis Cugat mag von fragwürdigem Geschmack zeugen, dennoch vermittelt das Cover auf vorzügliche Weise das Gefühl, sich aufzulösen und die Dekadenz, die im Roman beschrieben werden. Auch wenn spätere Cover aus grafischer Sicht raffinierter waren, so war doch in dieser Hinsicht keines dieser Illustration ebenbürtig.