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Aber bevor wir anfangen – haben Sie Lust auf eine Coca-Cola?
Wovon sprechen wir, wenn wir von digitaler Revolution sprechen?
Um Ihnen eine Einführung zu geben, sehen wir uns den Fall Coca-Cola und Mentos an. Um das Jahr 2005 begannen zwei Jungs damit, Videos zu drehen, in denen sie die berühmten Kaubonbons in Flaschen des weltweit bekanntesten Erfrischungsgetränks steckten und damit spektakuläre Schaumfontänen erzeugten. Sie hatten eine Menge Spaß dabei und die Videos stießen rund um den Globus auf große Begeisterung. Das ging soweit, dass sie sogar die Aufmerksamkeit der beiden involvierten Firmen auf sich zogen.
Das Marketing von Mentos verstand sofort, welchen positiven Nutzen es aus dieser Situation ziehen konnte, während Coca-Cola diese Mentos so gar nicht runter gingen und beschloss, die beiden jungen Männer wegen Schadens am Image zu verklagen. Aber schon bald besonnen sie sich. Die veraltete Denkweise wurde überwogen von der großen Anzahl an Interaktionen, die dieses Video weiterhin verzeichnete: Es wurde geteilt, kommentiert, parodiert, nachgestellt…
Welch schlechte Figur hätte Coca-Cola vor einem so zahlreichen und begeisterten Publikum abgegeben? Wenn sie sich entschlossen hätte, dem Spaß ein Ende zu setzen – eine Marke, deren Motto „Enjoy!“ ist. Es wäre als Betrug am eigenen Werteverständnis von Beziehung, Sozialisierung und positiver Lebenseinstellung wahrgenommen worden, das Coca-Cola seit Jahrzehnten in seinen Werbespots predigt.
Die Umkehr des Prozesses
Warum ist dieses Ereignis so bedeutend?
Weil sie eine deutliche Umkehr der Pole im Kommunikationsprozess darstellt. Zum ersten Mal durchliefen die Brands einen Kommunikationsprozess, der ausgerechnet durch jene generiert wurde, die ihre eifrigen Marketingleute bis vor ein paar Sekunden noch als ihre „Zielgruppe“ definiert hätten.
Bis zu jenem Jahr neigten die Brands dazu, Kommunikation als einen von ihnen abgeschossenen Pfeil anzusehen, um ein bestimmtes Publikum (und somit das Ziel) zu treffen. Das Publikum hatte in diesem Prozess eigentlich fast nur eine passive Funktion: Es konnte lediglich die Botschaft entschlüsseln und sich entscheiden, sie anzunehmen oder nicht. Das war’s. Auf der anderen Seite – überlegen Sie mal – gab es vor der Zeit der sozialen Netzwerke keine konkreten physischen Orte, an denen man mit einer Marke hätte interagieren können.
Die digitale Ära: Wenn die Zielscheibe den Schützen trifft
Der Fall von Coca-Cola und Mentos zeigt klar und deutlich diese Wende auf: Zum ersten Mal in der Geschichte der (fast) zeitgleichen Kommunikation schoss die Zielscheibe den Pfeil auf den Schützen. Und was für einen Pfeil! Hier haben wir ihn, den Keim der digitalen Ära, ganz anders als in der Zeit zuvor.
Heutzutage kann auch das Publikum Kommunikation schaffen, indem es eine Brand für die eigenen Zwecke nutzt oder es, manchmal, im wahrsten Sinne des Wortes zum Empfänger seiner Botschaft macht. Den Brands wurde von Tag zu Tag klarer, dass es nicht mehr möglich ist, den Verbreitungsprozess der Botschaften komplett selbst zu steuern. Und oftmals zeigen sich die neuen schaffenden Verbraucher selbst in der Lage, die Aufmerksamkeit der Medien und des Publikums in gleichem Maße, wenn nicht stärker, anzukurbeln: Ihre Inhalte auf den digitalen Kanälen erzielen deshalb so viele Aufrufe, weil sie mit größerer Sympathie aufgenommen werden.
Sie erwecken den Anschein (oftmals ist es aber nicht so), dass sie unverfälschter, authentischer und unbedarfter als die der Brands sind. Das Publikum liebt diese Inhalte, weil es in ihnen nicht die Intention vermutet, verkaufen oder überzeugen zu wollen. Mit den Jahren haben die Marken gelernt, wieder eine gewisse Kontrolle zu übernehmen, gleichzeitig mussten sie sich aber mit dem Gedanken anfreunden, dass die Kommunikationswege nicht mehr nur in eine Richtung verlaufen. Heute wissen die Brands, dass die Kommunikationsströme höchstens aktiviert, gelenkt, adressiert und gemanagt werden können. Und dafür gibt es nur eine Möglichkeit: von ihrem Thron absteigen und auf Augenhöhe mit dem eigenen Publikum in den sozialen Netzwerken kommunizieren.
Aber was ändert sich jetzt konkret an der Kommunikation?
Sobald wir den Kontext, in dem wir uns bewegen verstanden haben, verstehen wir auch die unterschiedlichen praktischen Ansätze leichter, die sich aus diesem Szenario ableiten. Sehen wir uns an einem pragmatischen Beispiel die Besonderheiten einer Botschaft an, die sich für eines der digitalen Netzwerke par excellence eignet: für Facebook.
• Dialog
Im Vergleich zu einer für den Druck konzipierten Kampagne ist Facebook offener und zugänglicher für sein Gegenüber. Durch die Interaktion durch Kommentare, Reaktionen und Teilen helfen uns die Personen nicht nur zu verstehen, ob die Botschaft gefällt, sie werden sogar Teil davon: Ihre Handlungen können und müssen als eine Einheit mit jenen verstanden werden, die vom Sender der Botschaft ausgehen. Massimo Guastini, Kreativdirektor von Cookies und ehemaliger Präsident des Art Director Club Italiano schreibt in diesem Zusammenhang: „Der Ausgangspunkt einer Werbekommunikation ist nicht mehr Was sage ich über dieses Produkt, sondern Was lasse ich die Leute über dieses Produkt sagen“.
Die Empfehlung ist also, die Reaktionen des Publikums nicht auf passive Art und Weise aufzunehmen, sondern die Botschaft so zu erdenken und zu schreiben, dass man sich schon – soweit wie möglich – vorstellt, wie die Personen mit ihr interagieren werden. Es ist wie in einer Partie Schach: Ich kann die Züge des Gegners nicht mit absoluter Sicherheit voraussehen, aber wenn ich mich auf eine Partie einlasse, dann muss ich mich bestmöglich anstrengen, um zu gewinnen.
• Prägnanz
Facebook empfiehlt (aber zwingt nicht mehr) für die Posts, die wir bewerben wollen, einen sparsamen Umgang mit Text innerhalb eines Bildes: Die Wörter sollten nicht mehr als 20% des Platzes der gesamten Fläche der veröffentlichten Grafik einnehmen. Also ist es besser, wenn wir uns nur auf das Paar Titel und Grafik beschränken. Dabei wird klar, dass man großes Geschick entwickeln muss, Dinge auf den Punkt zu bringen, mehr noch als beim Entwurf einer gedruckten Seite.
• Metatextualität
Es ist vielleicht das greifbarste Zeichen der digitalen Revolution, das häufig jedoch unerkannt bleibt: Im Vergleich zum Medium Druck bietet uns Facebook die Möglichkeit, einen Text außerhalb des Inhalts zu schreiben. Sie wissen was gemeint ist, oder? Die Zeilen, die das vorgeschlagene Bild oder den vorgeschlagenen Link begleiten und ihn in einen Zusammenhang bringen. Diese Möglichkeit, die wir als metatextuell definieren können, weil sie Informationen darüber zulässt, wie der eigentliche Inhalt gelesen werden soll, kann auf verschiedene Art und Weise genutzt werden:
- Den Post präsentieren.
- Die Personen mit einem Handlungsaufruf explizit zur Interaktion einladen. Beispielsweise, indem man ihnen Fragen stellt oder sie auffordert, ihre eigene Meinung auszusprechen.
- Kontextelemente oder unterstützende Daten zur Verfügung stellen, auf ähnliche Art und Weise wie wir es auf einer traditionellen Werbeseite machen würden.
- Den Wortwitz aufnehmen, indem man beispielsweise eine Bemerkung abgibt, die die Ironie des eigentlichen Posts noch verstärkt. Dies kann zum Beispiel hilfreich sein, um sicher zu gehen, dass die Ironie nicht untergeht und der Text fälschlicherweise wortwörtlich aufgefasst wird und damit Missverständnisse entstehen könnten, die für Probleme auf der Seite sorgen.
- Den Post in einem größeren Zusammenhang mit einer Rubrik oder einem vorangegangenen Post verknüpfen.