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Mit Kreativität habe ich überhaupt nichts am Hut! Oder vielleicht doch?
Der Begriff Kreativität scheint geradezu dazu bestimmt zu sein, Verwirrung und Unverständnis hervorzurufen. Seit sie Einzug in die Welt der Kommunikation gehalten hat, wurde sie auf tausende verschiedene Arten definiert und bot Anlass für endlose Diskussionen: Manch einer betet sie an, manch einer verachtet sie, manch einer betrachtet sie als unnützes Getue verzogener Grafikdesigner, die beim Layouten keine Gitternetzlinien respektieren können oder wollen, und manch einer hat ihr sogar schon den endgültigen Untergang prophezeit, verursacht durch die sogenannten Big Data.
Das Szenarium, in dem wir uns heute bewegen, ist ziemlich widersprüchlich. Einerseits wird die Kreativität auf jedem großen Marketing-Event lobgepriesen, andererseits scheint sie rationaleren und analytischeren Ansätzen zu weichen, die durch die digitalen Kanäle scheinbar bevorzugt werden. Kleine und mittlere Unternehmer sind in Bezug auf die Kreativität oft skeptisch: „Das ist nichts für mich.“ Doch ist das wirklich so? Bevor man sich eindeutig auf eine Seite schlägt, sollte man vielleicht zunächst besser festlegen, was Kreativität für all jene, die sie einsetzen, überhaupt bedeutet, um für das eigene Unternehmen eine effizientere Kommunikation zu erzielen.
Eine Definition, die die Kreativität für jeden greifbar machen soll
Die Definition, die Kommunikationsexperten seit jeher am besten gefällt und aus der sie die meisten Erkenntnisse ziehen, wurde von dem Mathematiker und Philosophen Henri Poincaré Ende des 19. Jahrhunderts aufgestellt. Seine Definition hat nichts mit den romantischen Vorstellungen und Mythen rund um den schaffenden Künstler gemein, der sich von wunderschönen Musen inspirieren lässt, die es genießen, unsere sterblichen Herzen zu blenden. Ganz im Gegenteil ist die Kreativität Poincaré zufolge etwas überraschend Konkretes. Es handelt sich vielmehr um eine greifbare Methode, die sich erlernen, üben und anwenden lässt. Lassen Sie uns herausfinden, wie er sie beschreibt.
Kreativität bedeutet, bereits existierende Elemente auf neue und nützliche Weise miteinander in Zusammenhang zu bringen.
Widmen wir uns zunächst den Schlüsselwörtern:
• Zusammenhang: Jeder, der im Bereich der Kommunikation tätig ist, betrachtet die Kreativität als Fähigkeit, Elemente miteinander zu verbinden, die normalerweise in keinem Zusammenhang zueinander stehen.
• Neu: Es ist das verständlichere der beiden Adjektive unserer Schlüsselwörter, das sich eigentlich selbst erklärt. Wir können nicht von Kreativität sprechen, wenn der Zusammenhang im jeweiligen sozialen Umfeld bereits verbreitet oder bekannt ist: Die Frucht dieses Zusammenhangs muss völlig neu sein. Deshalb ist es in Werbestudios und -agenturen an der Tagesordnung, kreative Vorschläge mit früheren Werbekampagnen abzugleichen, um sicherzustellen, dass es sich tatsächlich um eine völlig neue Idee handelt.
• Nützlich: Er ist der offenbar am schwersten verständliche Begriff in unserer Definition; doch mit ziemlicher Sicherheit auch der wichtigste. Wenn wir im Detail verstehen, dass der Nutzen ein Bestandteil der Kreativität ist, dann wird uns auch klar, warum die Kreativität auch für unsere kleinen und mittleren Unternehmen ein so wichtiges Werkzeug für den Erfolg ist. Dieses Schlüsselwort bindet den gesamten kreativen Prozess an unser gesellschaftliches Umfeld, das das Erschaffene für nützlich halten muss. In unserem Fall muss die Frucht unserer Kreativität von unserer Zielgruppe als nützlich empfunden werden, also von unseren bestehenden und potentiellen Kunden, an die sich unsere Kommunikation richtet. Wenn das, was wir erschaffen, für unser Publikum nicht relevant ist, dann wird es nutzlos.
Daraus ergibt sich – vorsichtig ausgedrückt – dass es sehr wahrscheinlich auch nicht kreativ ist. In unserem Fach bedeutet kreativ zu sein für die Menschen auch relevant zu sein (und somit sichtbar, mitreißend und überraschend). Etwas präziser ausgedrückt: Wenn unser Kommunikationsprojekt nicht auffällt oder bei unserem Publikum keine Reaktion hervorruft, dann sind wir keine verkannten Genies, sondern ganz im Gegenteil: Dann waren wir vermutlich nicht kreativ genug und in unserem Schaffensprozess hakt es an irgendeiner Stelle.
Lösen eines Kommunikationsproblems mit den Kreativitätsprinzipien nach Poincaré
So weit, so gut. Nachdem wir nun eine Definition aufgestellt haben, um die Kreativität zu umschreiben und Missverständnisse zu vermeiden, können wir ihre starke Wirksamkeit anhand eines praktischen Beispiels aufzeigen: eine wahrhafte Methode, die von sehr vielen Kreativen angewendet wird und die aus dem strengen Befolgen von Poincarés Grundlagen hervorgeht.
Kann man mit Kreativität Kommunikationsschwierigkeiten lösen? Hier ein konkretes Beispiel
Nehmen wir an, Ihr Unternehmen ist in der Lebensmittelbranche tätig.
Vielleicht finden Sie sich eines Tages in der Situation, dass Sie Ihren Kunden vermitteln müssen, dass der von Ihnen angebotene Fisch sicher ist. Ihr Fisch ist gesund, weil er kontrolliert wird.
Bisher bestehen die Elemente Fisch und Sicherheit in unserem Kopf als zwei separate Elemente. Beispielsweise kommen uns beim Element Fisch viele visuelle Symbole in den Sinn: das grafische Symbol des Fisches, ein Sardinenschwarm, Muscheln und viele weitere.
Wenn ich hingegen an Sicherheit und Gesundheit denke, kommen mir Bilder in den Sinn wie ein Herzsymbol oder vielleicht auch typische medizinische Instrumente wie das Stethoskop eines Arztes oder auch Schutzausrüstung für den Körper wie ein Motorradhelm.
Was geschieht, wenn ich versuche, nach der Empfehlung von Poincaré einen Zusammenhang zwischen diesen Elemente herzustellen, um damit Werbekampagnen zu entwickeln?
Man könnte beispielsweise eine Muschel mit geöffneten Schalen darstellen, die unmissverständlich an ein Herz erinnert. Das ergibt ein ausgezeichnetes Grafikelement, das durch eine Copy wie die folgende ergänzt werden kann: Ihre Gesundheit liegt uns am Herzen.• Ich könnte mir aber auch einen Fischschwarm vorstellen, der sich zu einem Helm formiert.
Dazu ein Titel wie: Ihre Sicherheit steht für uns an erster Stelle.• Oder ich könnte ein Stethoskop so drapieren, dass es die Form eines Fisches nachbildet. Und wie es der Zufall so will, hat sich die große italienische Supermarktkette Ipercoop genau für diese Art von Kampagne entschieden, um diese recht konkrete Problemstellung der Werbekommunikation anzugehen.
Der Titel? Unser Fisch ist gesund wie ein Fisch im Wasser.
Kreativität und Effizienz: zwei eng miteinander verschweißte Konzepte
Das klingt nicht schlecht, oder? Durch kreatives Denken konnten wir verschiedene Wege finden, aus unserer Problemstellung eine Kampagne zu erschaffen, die in der Lage ist, mit unserer Zielgruppe zu kommunizieren. Und wie Sie sicher bemerkt haben, hat diese Arbeitsweise überhaupt nichts mit dem chaotischen, haareraufenden Genie, das sich an keine Vorgaben halten kann, zu tun. Ganz im Gegenteil: Wir haben ein ziemlich konkretes Gefüge aus Effizienz und Nutzen, an das eine praktische Methode zum Einsatz unseres Geistes knüpft.
Ein Meister der Kreativität, der Designer Bruno Munari, erklärt es ganz deutlich und bietet eine Vorstellung von Kreativität, die der Definition von Poincaré sehr nahe kommt. Die Kreativität, so Munari, hat nicht (nur) mit reiner Phantasie zu tun, die die Dinge unabhängig von ihrer Umsetzbarkeit und von der Reaktion des Publikums neu überdenken kann. Kreativität ist die Fähigkeit, Dinge neu zu überdenken und gleichzeitig aber auch deren Umsetzbarkeit zu berücksichtigen, sowie alle Aspekte, die es der Kreation ermöglichen, vom Publikum als relevant erachtet zu werden: die Funktionalität, die farbliche Komponente, die psychologischen Feinheiten und so weiter. Anders ausgedrückt ist ein Projekt dann kreativ, wenn bei dessen Umsetzung auch der Aspekt berücksichtigt wird, dass es eine Bindung zur Zielgruppe aufbauen soll, da diese letztendlich über den Erfolg des Projekts bestimmt.
Was lernen wir aus alldem?
Derjenige, der die Kreativität als etwas Negatives betrachtet, verbindet sie meist fälschlicherweise mit Schnörkeleien, Schnapsideen, Verzierungen und nicht zuletzt mit einer bestimmten postromantischen Vorstellung von Unordnung. Um es etwas direkter auszudrücken: Er weiß nicht wovon er spricht und ist sich gar nicht bewusst, dass er mit jenen, die die Kreativität tagtäglich anwenden, eigentlich voll und ganz konform geht: Wer beruflich mit Kreativität zu tun hat, weiß ganz genau, dass Kreativität alles andere als unnütze, überflüssige Ästhetik ist.
Warum die Kreativität dein treuer Partner ist, der das digitale Zeitalter überleben wird
Heutzutage sind viele Freiberufler und Angestellte der Meinung, dass sie den endgültigen Untergang der Kreativität miterleben werden, ausgelöst durch den immer stärkeren Vormarsch von Tools, die uns abverlangen, unsere eigenen Fähigkeiten an sie anzupassen. Der kreative Prozess enthält jedoch ein Element von fundamentaler Wichtigkeit: den Nutzen. Das heißt, wir berücksichtigen die Zielgruppe, an die wir uns richten. Und dazu genügt es nicht, sich allein auf Daten und Zahlen zu verlassen. Wir müssen die Daten, die uns die sozialen Medien verfügbar machen, miteinander in Zusammenhang bringen, um daraus neue Projekte zu erschaffen, die auch weiterhin die Herzen unserer Zielgruppe erreichen. Denn der Mensch mag zu 70% aus Wasser bestehen, doch ganz sicher wird er zu 90% von seinen Emotionen und Wünschen geleitet.