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Die künstliche Intelligenz (KI) ist ein Paradigma, das unseren Alltag in allen Bereichen durchdringt. Gilt dies auch für ihre Anwendung im kreativen Bereich? Gedanken von Alberto Maestri.
Gemeinhin wird die künstliche Intelligenz wie folgt definiert (zum Beispiel in Wikipedia):
Die künstliche Intelligenz „ist ein Teilgebiet der Informatik, welches sich mit der Automatisierung intelligenten Verhaltens und dem Maschinenlernen befasst.“ Im Allgemeinen bezeichnet sie „den Versuch, menschenähnliche Entscheidungsstrukturen in einem nichteindeutigen Umfeld nachzubilden, d. h. einen Computer so zu bauen oder zu programmieren, dass er eigenständig Probleme bearbeiten kann.“
Eine typische „Neunerprobe“ zum Testen einer künstlichen Intelligenz (im Folgenden auch kurz als KI bezeichnet) ist, das Ergebnis der Maschine einem Menschen vorzulegen: Wenn dieser es als Arbeit eines Menschen bewertet, bewegen wir uns im Bereich der KI.
Die Allgegenwärtigkeit der Maschinen im Alltag
Dass wir heutzutage in einer Welt leben, die in ihren Grundfesten immer mehr vom Rhythmus der künstlichen Intelligenzen und Algorithmen bestimmt wird, ist mittlerweile offensichtlich. Ein interessanter Artikel von Niraj Dawar, der vor wenigen Wochen in der Harvard Business Review veröffentlicht wurde („Marketing in the Age of Alexa“), fasst unseren Alltag in der Ära der KI treffend zusammen:
„Der Wecker weckt uns 7 Uhr morgens mit einem Song, den man noch nie gehört hat und der einem wirklich gut gefällt. Dank Pandora, dem Algorithmus, der den eigenen Musikgeschmack erlernt, ist es, als hätte man einen persönlichen DJ im Haus […] Beim Frühstück liest man Zeitung – die Druckmaschine ist aufmerksam mit einem Lernalgorithmus kalibriert worden, damit Streifen im Druckbild vermieden werden. Die Zimmertemperatur ist perfekt, seit man ein intelligentes Nest-Thermostat installiert hat – und auch die monatliche Stromrechnung ist nun viel geringer. Man fährt zur Arbeit. […] Um die Zeit am Lenkrad (und den Stress) in der Rushhour zu reduzieren, verwendet man INRIX, ein System zur Vorhersage der Verkehrssituation.“
Cosimo Accoto, ein ehemaliger Kollege, der nun am MIT in Boston arbeitet und für den Verlag EGEA das italienische Buch „Il Mondo Dato. Cinque Brevi Lezioni di Filosofia Digitale“ geschrieben hat, spricht darin vom „algo-rhytm“; mit diesem Wortspiel beschreibt er eine Welt, die sich wie folgt auszeichnet:
„[Die Algorithmen] sind nicht einfach nur noch Tools, die eine Aufgabe erledigen sollen, sondern mittlerweile eine Komponente [….], welche ein automatisiertes Design unserer Erfahrungen ermöglichen.“
Ob in der Wirtschaft, der Geschäftswelt, der Gesellschaft oder dem Privatleben: Heute sind es die Algorithmen, welche den Rhythmus der Wirklichkeit bestimmen.
Die Maschinen im Job – der Bereich der Kommunikation
Wenn also die künstliche Intelligenz und Algorithmen im Alltag allgegenwärtig sind und unsere Interaktionen (im sozialen, geschäftlichen und anderen Bereichen) immer mehr prägen, welche Überlegungen kann man in Bezug auf die Beziehung zwischen künstlicher Intelligenz und Kommunikation anstellen?
Im Allgemeinen denkt man bei der Kommunikation an etwas Typisches, das sich in der rechten Gehirnhälfte abspielt. Analysen zur Spezialisierung der Gehirnhälften zufolge ist die rechte für den Instinkt, für Träume und für ganzheitliches Denken zuständig – also nichts, das in unserer Auffassung etwas mit Maschinen und künstlichen Wesen, die kühl und berechnend sind, zu tun hätte. Nicht ohne Grund wurde der Computer anfangs als „Rechner“ bezeichnet.
Die fortschreitenden Fähigkeiten der künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens (mit dem Maschinen versteckte Intuitionen finden können, ohne explizit dazu programmiert worden zu sein, „zu wissen, wo sie suchen müssen“) führen jedoch dazu, dass wir uns immer mehr eine wichtige Frage stellen:
Können Maschinen kreativ sein?
Stellt man die Frage so, dann ist es sicherlich eine rhetorische Frage und führt zu einer einzigen (verneinenden) Antwort. Ich versuche die Frage aus einer anderen Perspektive zu stellen und dabei eine aktuelle McKinsey-Studie zur Beziehung von KI, Kreativität und Storytelling – die Kunst der menschlichen Erzählung par excellence – hinzuzuziehen.
Diese Studie entstand in Zusammenarbeit des Media Labs des MIT und des Tech-&-Media-Forschungsteams von McKinsey. Hier eine kurze Zusammenfassung:
- Die Machine-Learning-Modelle, die für die Analyse erstellt wurden, haben tausende von Videos analysiert und dabei die emotionalen Spannungsbögen per Mapping aufgezeichnet;
- diese Geschichten wurden abhängig vom typischen emotionalen Spannungsbogen in Gruppen eingeteilt;
- Videogruppen wurden abhängig vom emotionalen Spannungsbogen mit den Reaktionen der Zuschauer auf Twitter und anderen sozialen Medien in Gruppen in Korrelation gebracht;
- diese Reaktionen wurden schließlich nicht nur von einem quantitativen, sondern auch einem qualitativen Blickwinkel analysiert, um ihre Art und ihr Wesen festzustellen.
Das Resultat war, dass einige emotionale Spannungsbögen effizienter Reaktionen vonseiten der Zuschauer der Videos hervorrufen konnten, die sich durch emotionale Muster auszeichneten.
Was können wir aus dieser Studie ableiten? Sicherlich die zentrale Rolle der KI an der Seite der oder des Kreativen – zumindest vom Gesichtspunkt der Analyse der Plots und der Planung der Erzählstruktur jeder Art von Kommunikation – sowohl textueller als auch grafischer/visueller Natur.
Heutzutage kommt die künstliche Intelligenz immer mehr der Arbeit der Kreativen zu Hilfe. Hierzu verweise ich auf einen kürzlich von mir im Blog von Pixartprinting veröffentlichten Beitrag „3 Trends, die 2018 die digitale Kreativität beflügeln werden“. In diesem Artikel nenne ich den Fall des KI-generierten Contents. Heute können Bots auch Inhalte erschaffen – und das tun sie bereits. Dank ihrer Fähigkeit, Ordnung ins Chaos zu bringen, d. h. die großen Datenmengen zu bewältigen, welche unser Leben beherrschen. Associated Press verwendet seit 2014 Algorithmen, so auch Yahoo!, Forbes und viele andere Medien. Wenn wir die vorgeschlagenen Inhalte verwenden, sind wir uns dessen nicht bewusst, aber es geschieht.
Diese Technologie wird auch zu etwas Demokratischem – etwas, das für alle da ist. In dieser Hinsicht ist meiner Meinung auch die Mission des AI Content Creators Articoolo interessant:
„Unsere Technologie erzeugt durch Simulation eines menschlichen Autoren von Grund auf einzigartige Inhalte.“
Sie haben richtig gelesen: Das Tool Articoolo simuliert die Arbeit eines Copywriters und lässt sie von einer Maschine erledigen. Momentan sind die Ergebnisse noch bescheiden (wenn auch nur zu geringen Kosten), aber was wird in der nahen Zukunft geschehen, wohin werden sich Maschinen entwickeln? Auf diese Frage antwortet Giorgio Barbetta (ICT Engineering Coordination bei UniCredit) in einem LinkedIn-Pulse-Blogbeitrag mit den folgenden zwei Szenarien:
- Antwort 1: Ihre Entwicklung stoppt dort, wo wir sie programmieren, zu stoppen.
- Antwort 2: Wir wissen nicht, wo ihre Entwicklung stoppt, da dieser Prozess auch an nicht überwachten Netzwerken anlehnt, die über hocheffiziente Systeme verfügen (basiert auf dem Machine Learning oder dem Deep Learning).
Schlussfolgerung: Empathie als Herausforderung
Eine Lösung zur Dialektik Mensch – Maschine (zum Vorteil der Menschen) beim Thema Kreativität und Kommunikation kommt aus einigen Studien der Finanzkommunikation, gemäß denen die Empathie, d. h. die Fähigkeit, eine empfundene Nähe und Intimität mit dem Gesprächspartner zu schaffen, ein Multiplikator von wirtschaftlichem Wert ist, da er Vertrauen schafft und zu effizienteren Interaktionen führt.
Die Empathie ist eine Variable, die typischerweise und zutiefst menschlich ist, ein unabdingbares „Stück Kreativität“, um ihr unabhängig vom endgültigen Produkt (eine Grafik, ein Text usw.) eine Bedeutung zu verleihen. Und wie es scheint, wird uns genau diese Empathie davor „retten“, dass die Maschinen eines Tages zu viel Kontrolle gewinnen. Jedenfalls, was Maschinen als Kreative und Kommunikatoren betrifft. Zumindest, bis wir die künstlichen Intelligenzen dazu trainieren, Empathie zu erlernen, um sie dann an unserer Stelle einzusetzen (oder vielleicht mit uns/uns gegenüber).
Die Herausforderung steht – und die Fragerunde ist eröffnet: Was ist Ihre Meinung als Grafiker/in, Designer/in, (digital) Copywriter/in zum Thema?