Joanna Muñoz gründete Wink & Wonder 2013 in Los Angeles (Kalifornien) als freiberufliches, kreatives Ventil neben ihrem Vollzeitjob als Grafikdesignerin. „Kurz nach meinem beruflichen Einstieg verlobte ich mich und meine Arbeiten begannen plötzlich, sich in Richtung Kalligraphie/Lettering zu entwickeln, während ich mich um die Einladungen und Beschilderung für unsere Hochzeit kümmerte. Danach kam irgendwie alles wie von selbst“, erzählt Muñoz. „Rein zufällig entdeckte ich den Instagram Feed von Goodtype und war sofort begeistert. Ich hatte endlich eine großartige Community gefunden, von der ich ein Teil sein konnte.“ Seitdem arbeitet sie an einem Hand-Lettering-Projekt nach dem anderen.
Hier teilt Muñoz Tipps und Techniken, um angehenden Lettering-Künstlern den Einstieg zu erleichtern und ihnen zu helfen, ihrer Leidenschaft zu folgen.
1. Welche Instrumente würden Sie Lettering-Anfängern empfehlen?
Ich würde jedem empfehlen, mit den Werkzeugen zu beginnen, die man bereits zu Hause hat, bevor man auf große Shoppingtour geht. In Wirklichkeit machen die richtigen Hilfsmittel nur einen kleinen Teil des Ergebnisses aus. Was Ihre Arbeit wirklich voranbringt sind konsequentes, fokussiertes Üben und das Aneignen einiger Grundlagen.
Bleistifte — Ich habe unzählige Marken ausprobiert, aber ich bleibe immer wieder bei einigen Lieblingsstiften hängen: Am liebsten arbeite ich mit dem mechanischen Bleistift Alvin Draft-Matic (5 mm). Seine Miene ist dünn genug für sehr präzise Linien, doch sie nutzt sich auch ab und erzeugt dann dieselbe Textur wie auch herkömmliche Graphitstifte. Durch die Verwendung mechanischer Bleistifte erspare ich mir das Spitzen. Zum Korrigieren verwende ich einen Knetradiergummi, denn die hinterlassen keine Rückstände und sind ideal, um feine Linien zu entfernen.
Stifte — Am Anfang einer Arbeit verwende ich meistens den Tombow Fudenosuke mit harter oder weicher Pinselspitze. Die weiche Spitze bietet mir viel Flexibilität, denn durch Erhöhen oder Reduzieren des Drucks kann ich dicke und auch dünnere Linien erzeugen. Der Stift mit der harten Spitze ermöglicht mir hingegen mehr Struktur und Stabilität. Ich arbeite auch mit Micron Stiften (hauptsächlich .005, .01 und Graphic) zum Verfeinern von Linien sowie mit einem Sharpie Brush Tip Marker, den ich verwende, um größere Bereiche mit schwarzer Tinte zu füllen.
Papier — Ich liebe es, meine Ideen in Moleskine Notizbüchern mit Gitternetzlinien zu skizzieren, für unterwegs verwende ich für mein Lettering Pocket Scout Books und Canson Marker Papier für das finale Werk – das ist superglatt, die Tinte dringt nicht in das Papier ein und es ist transparent genug, damit ich ein Raster darunter legen kann.
2. Haben Sie bestimmte Übungen, mit denen Sie sich aufwärmen?
Wenn ich eine längere Pause als sonst eingelegt habe, helfe ich meinem Muskelgedächtnis normalerweise auf die Sprünge, indem ich das Alphabet ausschreibe (in Kursiv), bis die Bewegungen des Stifts oder Bleistifts wieder ganz natürlich fließen. An den meisten Tagen beginne ich einfach mit einigen groben Skizzen eines Konzepts, um mich aufzuwärmen.
3. Welche grundlegenden Techniken können Sie Einsteigern empfehlen?
Machen Sie sich mit der Anatomie der Buchstaben vertraut – Wenn man erst einmal die verschiedenen Elemente der Buchstaben kennt – Serifen/serifenlos, Mittellänge bzw. „x-Höhe“/Unterlängen, Schnörkel usw. – und versteht, wie sie miteinander in Verbindung stehen, fällt das Hand Lettering schon viel leichter. Wenn einem besonders Script-Stile gefallen, dann hilft es immens sich etwas Grundwissen der Kalligraphie anzueignen.
Entspannen Sie sich – Den Stift oder Bleistift in seiner Hand fast zu zerdrücken oder zu viel Druck auf das Papier auszuüben, lässt die Hand schneller ermüden und führt zu krampfigen, kantigen Linien und Schriftformen. Lockern Sie Ihren Griff und lassen Sie die Bewegungen fließen.
Fangen Sie groß an – Skizzieren Sie Ihre Konzepte immer als ganzes Wort oder ganzen Satz aus, anstatt Buchstabe für Buchstabe ganz detailliert zu zeichnen. Indem Sie grob skizzieren und sich auf das große Ganze fokussieren, wird es Ihnen leichter fallen, die Gesamtkomposition Ihres Werks zu gestalten. Am besten erstellt man mehrere schnelle Layouts einschließlich aller Designelemente, um zu erkennen, was am besten funktioniert (und was nicht); insbesondere wenn Sie ein Foto und integriertes Lettering verwenden. Wenn Sie mit der Struktur einer Arbeit zufrieden sind, können Sie mit dem Einarbeiten der Details weitermachen.
Kontrast geht über alles – Bei der Verwendung von Brush Pens sollten Sie grundsätzlich mehr Druck anwenden und eine breitere Linie erzeugen, wenn die Linienführung nach unten geht, und weniger Druck anwenden und eine dünnere Linie erzeugen, wenn die Linienführung nach oben geht. Durch den variierenden Druck erhalten Sie unterschiedlich breite Linien und verleihen Ihrer Arbeit zusätzliche Dimension.
4. Wo (oder von wem) lassen Sie sich inspirieren?
Instagram ist mein liebstes soziales Netzwerk, wenn es um Inspiration geht. Ich bin ein großer Fan von @Goodtypes toll gepflegtem und sehr vielseitigem Feed, auf dem man Kunstwerke vom Konzept bis zur Vollendung und aus jedem erdenklichen Medium bewundern kann. Die Gründerin Brooke Robinson leistet außerdem ausgezeichnete Arbeit, wenn es darum geht, neue Künstler so wie auch bereits bekannte Künstler zu präsentieren.
Was Inspirationsquellen betrifft, gehören Gemma O’Brien, Jennet Liaw, Becca Clason, Lauren Hom, Nick Misani, Noel Shiveley, Adé Hogue, Christopher Craig und Danger Dust zu den Künstlern, die nie aufhören mich zu begeistern. Sie sind nicht nur sehr talentiert, sondern erschaffen alle Werke mit großer Liebe zum Detail und beherrschen eine Vielfalt an Lettering-Stilen.
5. Welche Art von Projekt würden Sie Anfängern zur Übung empfehlen?
Die meisten, wenn nicht sogar jeder Letterer hat irgendwann schon mal ein Zitat gestaltet… Das mache ich immer noch, wenn mir nichts anderes einfällt. Inspirierende Zitate gibt es schon zur Genüge, also stellen Sie sich einer anderen Herausforderung. Warum versuchen Sie es nicht mit einem Satz aus Ihrer Lieblingsserie, mit einem nicht-inspirierenden Zitat oder mit einem Wortspiel, um etwas Witz in die Sache zu bringen?
Meine neuesten Zeichnungen von Zitaten stammen alle aus der letzten Staffel von Game of Thrones. Das hat mir nicht nur extrem viel Spaß gemacht, sondern es ist auch eine Thematik, die fast jeden anspricht und hoffentlich vielen gefällt. Überlegen Sie zuerst, wie viele Worte und Designelemente Sie benötigen und wie Sie sie auf der Seite verteilen. Dann beginnen Sie mit groben Skizzen und gehen erst ins Detail, sobald Sie die beste Komposition bestimmt haben. Denken Sie vor allem daran, dass das Ausprobieren verschiedener Ideen, Tools, Styles und Techniken Teil des gestalterischen Prozesses ist. Viel Spaß dabei!
*Goodtype bietet diesen Herbst Hand-Lettering-Workshops in verschiedenen Städten der USA an: Stefan Kunz leitet im Oktober einen iPad Lettering-Workshop in San Francisco; und im Dezember bietet Goodtype Kurse für Freelancer zu den unternehmerischen Aspekten der freiberuflichen Arbeit an.