Schriftarten und ihre Geschichte, Kurioses inklusive

Schriftarten und ihre Geschichte, Kurioses inklusive

Redaktion Veröffentlicht am 5/16/2018

Sprache hat eine eigenständige physische Präsenz, und diese Präsenz wird mit Hilfe von Fonts zum Ausdruck gebracht. Die sorgfältige Wahl der geeigneten Schrift geht weit über subjektive Kriterien wie den persönlichen Geschmack hinaus, sie folgt den Regeln guter Typographie, die eine professionelle Arbeit auszeichnen.

In diesem Artikel erfahren Sie Wissenswertes und Kurioses über einige Schriftarten, von den beliebtesten Fonts bei Designern bis hin zur verpöntesten Schrift aller Zeiten (Sie haben sicherlich erraten, welche wir meinen). Wer die Geschichte der jeweiligen Schrift kennt, wird sie künftig gekonnter einsetzen.

Bodoni – die erste moderne Schrift

Wir beginnen unseren Abriss mit Giambattista Bodoni (1740–1813), einer der wichtigsten Persönlichkeiten der italienischen Typografie. Bodoni war Drucker, Typograf und Leiter der herzoglichen Druckerei zu Parma. 1788 erschien sein wichtigstes Werk, das Manuale Tipografico, in dem er die 4 Merkmale einer gut durchdachten Schrift erläutert: Regelmäßigkeit, Sauberkeit und Glätte (Lesbarkeit), guter Geschmack (Schlichtheit) und Anmut. Tugenden, die sich in der von ihm geschaffenen Schrift wiederfinden: der Bodoni. Geometrische Formen bildeten die Grundlage bei ihrer Entwicklung, sie verliehen dem Alphabet die gewünschten Charakteristika.

Die Bodoni kann zweifelsohne als erste moderne Schrift bezeichnet werden, denn sie ist nüchtern, streng und elegant. Charakteristisch sind der starke Kontrast zwischen Grund- und Haarstrichen und die rechtwinklig an die Grundstriche angesetzten Serifen, nicht länger gewölbt wie jene der Renaissance.

Avant Garde – speziell für eine Zeitschrift kreiert

Zu den wichtigsten Persönlichkeiten des internationalen Designs zählt Herb Lubalin (1918–1981), Art Director der Zeitschrift Avant Garde. Herb Lubalin entwarf die Schrift Avant Garde gemeinsam mit dem Schriftgestalter Tom Carnase. Die Geschichte dieses Fonts ist – wie könnte es anders sein – eng mit der Geschichte der gleichnamigen Zeitschrift verbunden: Sie wurde für deren Logo entwickelt.


Was kennzeichnet dieses serifenlose Alphabet? Müssten wir den Lettern eine geometrische Figur zuordnen, so wäre dies mit Sicherheit der Kreis. Denn auf einem Kreis basieren die linearen, schlichten Zeichenformen, die klar und gut lesbar daherkommen. Jedes Schriftzeichen existiert in mehreren Varianten, zudem umfasst das Alphabet auch eine Reihe von Verbundbuchstaben – besondere Ligaturen zwischen zwei oder drei Buchstaben, die ein einziges Zeichen bilden –, die an Monumentalinschriften des 16./17. Jahrhunderts erinnern. Aufgrund ihres Retro-Touchs wird die Avant Garde oft für Vintage-Design verwendet.

Futura – eine Schrift landet auf dem Mond

1927 entwickelte Paul Renner in Deutschland eine neue Schrift: die Futura. Der Font spiegelt den herrschenden Zeitgeist eindrücklich wider: Rationalismus und der vom Bauhaus propagierte Funktionalismus. Typisch für die Futura ist ihre strenge Geometrie sowie der Verzicht auf Serifen. Ihre Zeichen beruhen auf einfachen Formen, wie dem Kreis, dem Quadrat und dem Dreieck. Das verleiht der Schrift eine nüchterne, elegante und moderne Wirkung.

Die 1950er-Jahre gelten als das Goldene Zeitalter der Futura, wurde sie doch von unzähligen Werbeagenturen für Kampagnen und Headlines verwendet. So findet sich dieser Font im Logo verschiedener Marken, wie etwa Volkswagen und Ikea (wobei die Schweden später zu Verdana wechselten), und auf den Plakaten bekannter Filme, wie „2001: Odyssee im Weltraum“ und „American Beauty“. Zweifelsohne ist aber die Landung auf dem Mond die größte Errungenschaft der Futura: Sie wurde für die Beschriftung der Aluminiumplakette ausgewählt, die die Astronauten der Apollo-11-Mission 1969 auf dem Mond zurückließen. Vermutlich verhieß die Futura allein durch ihren Namen und ihr modernes Design neue Eroberungen.

Helvetica – durch und durch eine Schweizerin

Helvetica wurde auf Betreiben von Eduard Hoffmann im Jahr 1957 vom Schriftgestalter Max Miedinger entwickelt. Eduard Hoffmann, zu jener Zeit Geschäftsführer der Haas’schen Schriftgießerei in Münchenstein bei Basel, beauftragte Max Miedinger mit der Gestaltung einer neuen serifenlosen Schrift, um der weiten Verbreitung der Akzidenz Grotesk, die 1896 in der deutschen Gießerei H. Berthold AG entwickelt wurde, Einhalt zu gebieten. So entstand die Neue Haas Grotesk, die später in Helvetica umbenannt wurde, um deutlich ihre Herkunft herauszustreichen: die Schweiz. Helvetica stammt vom lateinischen Wort „Helvetia“ ab, was – wie Sie sicher erraten haben – Schweiz bedeutet.

Bei der Helvetica handelt es sich um eine technische Schrift, sehr reduziert und unglaublich gut lesbar. In den 1970er-Jahren war sie weit verbreitet und in unzähligen Logos und Werbekampagnen jener Zeit zu finden. Doch auch heute ist die Bedeutung dieser Schrift ungebrochen, und dies ist dem Mac zu verdanken: 1984 wurde der Font in dessen Betriebssystem integriert, was ihr zu enormem Erfolg verhalf. Helvetica wird von Unimark für die Beschilderung der New Yorker U-Bahn eingesetzt und prägt die Logos bekannter Marken wie Toyota, Lufthansa, Panasonic, Mattel, Jeep, The North Face und American Airlines.

Comic Sans – die Verpönte

Wenden wir uns nun dem wohl meist gehassten Font aller Zeiten zu: der Comic Sans, eine von Microsoft entwickelte Schrift, die 1994 vom Schriftgestalter Vincent Connare designt wurde. 1995 wurde sie in das Microsoft-System integriert und entwickelte sich zu einer der bekanntesten und meist genutzten Schriften. Comic Sans ist ein einfacher serifenloser Font, mit verspielter, kindlicher Anmutung, angelehnt an Cartoons und Comics.

Doch warum reiben sich so viele genau an dieser Schrift? Neben den rein ästhetischen Aspekten, die Missfallen hervorrufen, besteht das Problem dieses Fonts darin, dass er häufig im falschen Kontext verwendet wurde. Der eklatanteste Fall für eine völlig unangebrachte Verwendung von Comic Sans stammt aus der Welt der Wissenschaft. Das „typografische Verbrechen“ wurde vom CERN in Genf verübt, das für die Präsentation einer der wichtigsten Entdeckungen der Geschichte – die Entdeckung des Higgs-Bosons – diese verspielte, informelle Schrift auf den Vortragsfolien nutzte. Das „Gottesteilchen“, wie es von einigen Physikern ehrfürchtig bezeichnet wird, hätte mit Sicherheit einen seriöseren Font verdient.

Wir würden uns freuen, wenn Sie sich an diese kuriosen Details erinnern, sollten Sie eine dieser Schriften für Ihre Kommunikation wählen.