Die wichtigste Funktion eines sogenannten „Identity Designers“ besteht zu Projektbeginn in der Recherche: Es geht darum, die Marke des Kunden in- und auswendig kennenzulernen und ebenso seine Konkurrenten. Dabei ist es laut Sharon Werner, Gründerin von Werner Design Werks in Minneapolis (Minnesota, USA) auch wichtig, die Dinge genau so wahrzunehmen, wie sie sind. Das gilt ganz besonders für Start-up-Marken wie Mr. Mak’s Ginbao, ein neues Wellnessgetränk, das nach einem traditionellen Rezept aus China auf natürlichen Zutaten basiert.
Werner und ihr Team verbrachten einen Tag mit Familie Mak im New Yorker Stadtteil Chinatown und genossen ein traditionelles chinesisches Mittagessen, das Frau Mak selbst zubereitete. „Wir gingen gemeinsam durch die Straßen New Yorks, schauten uns Marken derselben Kategorie an und hielten fest, was ihnen daran gefiel und was weniger“, erklärt Werner. „Bei Start-ups kommt es darauf an, dass die Unternehmensidentität und Marke die Persönlichkeit und Werte unseres Kunden widerspiegeln, und das ist nur möglich, indem man richtig tief eintaucht und den Kunden kennenlernt. Wir wollen herausfinden, was sie im Vergleich zu ihrer Konkurrenz auszeichnet; was sie bieten, was sonst keiner bietet; was ihre persönliche Überzeugung ist und wie diese später ihr Geschäft und Produkt beeinflusst.“
Eine Herausforderung bei der Entwicklung einer Markenidentität für Start-ups besteht darin herauszufinden, was auch über das erste Jahr hinaus noch funktionieren wird – ein Punkt, in den sich unsere Kunden häufig noch nicht hineinversetzen können. „Wir legen den Grundstein für eine erfolgreiche Zukunft. Deshalb fragen wir auch nach dem „Was wäre, wenn?“: Was, wenn Sie weitere Geschmacksrichtungen hinzufügen? Was, wenn Sie weitere Mitarbeiter einstellen? Was, wenn Sie das Unternehmen eines Tages verkaufen wollen?“ so Werner. „Wir wollen eine Identität entwickeln, die mit unserem Kunden wachsen kann und flexibel genug ist, sich anzupassen, wenn aus dem „Was wäre, wenn“ tatsächlich die Frage wird, was als Nächstes kommen soll.“
Zur Differenzierung von Mr. Mak’s Ginbao trug die Kombination aus traditioneller Ästhetik und modernen Designelementen bei. Für die Verpackung wurden Farben verwendet, die die Aromen repräsentieren, während die Corporate Identity in Neonrot und Porzellanblau gehalten wurde. Die Letterpress-Visitenkarten stecken in einem Umschlag aus Glassinpapier, der weitere Überraschungen für den Empfänger enthält: eine Rezeptidee und eine „Glücksbotschaft“; alles kleine Details, die einen Bezug zur Markengeschichte herstellen.
Die Konkurrenz unter die Lupe zu nehmen und die eigene Marke damit zu vergleichen, ist beim Identity Design entscheidend. Deshalb gehen Werner und ihr Team auch in die Geschäfte und sehen sich die Konkurrenzprodukte live in den Regalen an, also in der gewohnten Kaufumgebung. Sie prüfen, wie die Beleuchtung in den Geschäften die Verpackung beeinflusst und wie die Größe des Produkts neben den anderen Produkten wirkt. „Wir werden als Verbraucher von unserer Leidenschaft und Intuition gesteuert – wir vertrauen unserem Gespür. Wir lassen uns auch von Produkten außerhalb unserer Kategorie inspirieren, verlieren jedoch nicht aus den Augen, dass deutlich werden muss, um was für ein Produkt es sich handelt“, merkt Werner an. „Bei Mrs. Meyer’s stellten wir uns die Frage, wie wir dafür sorgen können, dass es wie ein effektives Reinigungsprodukt wirkt und sich trotzdem von der Konkurrenz unterscheidet. Wir griffen den zweckorientierten, effektiven Haushaltswaren-Jargon auf und milderten ihn durch Farben und Strichzeichnungen ab.”
Vor 18 Jahren entwickelte Werner die Markengeschichte von Mrs. Meyer’s, die sich über lange Zeit hinweg bewährt hat. Die Geschichte dreht sich um die Mutter des Gründers, Thelma Meyer, eine Hausfrau aus Granger (Iowa, USA). Das nüchterne Design spiegelt ihre Persönlichkeit wider und informiert die Verbraucher über die natürlichen Inhaltsstoffe des Reinigungsmittels. „Bei Mrs. Meyer’s waren wir viele Jahre lang aktiv involviert“, erzählt Werner. „Wir halfen bei der Anstellung des ersten internen Designers und brieften später ihre erste Werbeagentur über die Marke. Als Mrs. Meyer’s von SC Johnson gekauft wurde, führten wir ein umfassendes, rückblickendes Briefing durch, in dem wir Markensprache und -elemente erklärten. Wir zeigten auf, was dem Markenrecht unterliegt und was nicht und warum das so war. Dabei stellten wir uns bei jeder Entscheidung die Frage, was Thelma tun würde.“
Das letztendliche Ziel bei der Entwicklung einer Corporate Identity ist sicherzustellen, dass alle Markenressourcen nach dem Abschluss des Projekts vom Kunden selbst verwaltet werden können. Das umfasst meist die Erstellung eines Styleguides, der gewährleistet, dass die Identity in allen Bereichen korrekt angewendet wird – bei Verpackung, Werbung, Website, Social Media und vielem mehr. „Unser Ziel besteht darin, eine Marke und Branding-Elemente zu kreieren, die uns selbst letztendlich überflüssig machen. Wir kreieren eine Markensprache, die sich weiterentwickeln und wachsen kann, aber trotzdem immer noch die Marke verkörpert“, erklärt Werner.