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Alexei Brodovitsch, eine US-amerikanische Designikone russischer Herkunft, gestaltete ab Mitte der Dreißigerjahre das Frauenmagazin Harpers Bazaar als Art-Direktor grundlegend um. Dabei revolutionierte er nicht nur die Gestaltung des Frauenmagazins, Brodovitch spielte auch eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung des modernen Grafikdesigns in den Vereinigten Staaten. Seine Arbeit machte das Magazin zu einer der ersten großen Publikationen, in denen dynamische Layouts mit serifenloser Typografie verknüpft wurden. Er arbeitete mit kontrastreicher Fotografie im Filmstil und brach Raster und Regeln des damaligen modernistischen Editorialdesigns, indem er Modefotografie und abstrakte Text-Silhouetten miteinander kombinierte. Aber nicht nur im Printbereich schaffte es Brodovitsch in die Wohnzimmer. In den Fünfzigerjahren wurde dem Editorialdesigner im Hollywood-Klassiker Funny Face Tribut gezollt, die Figur Dovitsch ist von ihm inspiriert.
In den letzten Jahrzehnten haben sich nicht nur die Leserschaft, sondern auch der Inhalt, die Gestaltung und die Publikationsstrukturen der Frauenmagazine verändert. Heute gibt es neue Möglichkeiten, unabhängig zu veröffentlichen. Das bringt nicht nur Frische ins Editorialdesign, sondern schafft auch Leichtigkeit in Bezug auf neue Perspektiven zu traditionellen Themen.
Nach den Print-Design-Revolutionen des letzten Jahrhunderts – durch Gestalter wie Brodovitsch – gibt es heute mehr Magazine von und für Frauen denn je. Man könnte fast meinen, Print boomt, gerade wegen der Digitalisierung. Denn Blogs nutzen Crowdfunding, um die Kosten ihrer ersten gedruckten Ausgaben gering zu halten, und soziale Medien, um eine erste Leserschaft zu erreichen. Printmagazine können sich durch ihre teilweise sehr kleinen Auflagen weit weniger abhängig von Werbung machen als die älteren, renommierten Zeitschriften.
Unabhängige Frauenmagazine können sich durch digitale Strukturen freier erfinden und zelebrieren das mit radikalem Minimalismus, Anti-Design und einer neuen Ästhetik im Grafikdesign. Wie der Designpionier Brodovitsch seine Spuren im Grafikdesign der Fünfzigerjahre hinterlassen hat, so beeinflusst auch die Gestaltung vieler aktueller Frauenmagazine die Verlagsbranche. Bei der Veröffentlichung von Frauenzeitschriften ist Print nicht tot, sondern entwickelt sich zu einer Form des Protests. Frauenmagazine, wie beispielsweise die folgenden, widersetzten sich den Konventionen und agieren als neue Stimmen auf einem doch gar nicht so übersättigten Markt.
The Gentlewoman
The Gentlewoman gilt schon fast als Flaggschiff der unabhängigen Frauenmagazine. Das Magazin hat seinen Titel einem illustrierten Frauenmagazin aus dem 19. Jahrhundert zu verdanken und ist wie dieser Namensgeber für gute Texte und einen eigenen Interviewstil bekannt. Hinter der Gestaltung steckt das Team um Kreativdirektor Jop van Bennekom und Veronica Ditting, die für die Art-Direktion verantwortlich ist. Das Cover des Magazins steht im deutlichen Kontrast zu denen von Hochglanzmagazinen der großen Herausgeber: Die Artikel in The Gentlewomen sind sehr lang. Der Schwerpunkt liegt darauf, Unternehmerinnen, Frauen aus Politik und Sport vorzustellen. Die aufwendigen Fotostrecken sind kürzer, beinhalten aber auch weniger Produktplatzierungen. Das Cover-Layout wird beibehalten, erstrahlt jedoch in jeder Ausgabe in einer anderen Farbe. Nur der Titel und Name der abgebildeten Person prangen auf dem Cover, die Hintergrundfarbe umarmt die Porträtfotografie, die in der Mitte des Covers eingefasst ist. Im Innenteil wird wenig Farbe verwendet. Die Sektionen sind durch unterschiedliches Papier klar unterteilt, starkes beiges Papier in der Mitte und glänzendes für andere Sektionen. Durch seine schlichte Gestaltung hat das Magazin Kultstatus erreicht.
Riposte
Riposte – the smart Magazine for women hat ein textbasiertes Cover. Das britische Magazin setzt wie The Gentlewoman auf Text statt Bilder und besticht durch die Papierauswahl. Auf dem Cover prangen neben dem Titel nur die Namen der im Innenteil interviewten Personen. Seit der Veröffentlichung des sechsten Magazins gibt es pro Ausgabe zwei Coverdesigns: das im klassischen Riposte-Design rein typografische und ein Foto-Cover. Ripostes Gestaltung reflektiert aktuelle Trends und ist trotzdem zeitlos. Dabei verzichtet das Magazin auf Werbung. Gestaltet wird es von der Kreativdirektorin Shaw Madani, die dem Magazin einige Nominierungen und Preise wie für den Designs of the Year Award oder den European Design Award einbrachte.
Girls Like Us
Wer stringente Layouts und reduziertes Grafikdesign liebt, ist falsch bei Girls Like Us. Das Magazin setzt auf ausgefallene Typografie und Anti-Design. Die Girls Like Us-Cover-Gestaltung ist leidenschaftlich radikal, wird für jede Ausgabe und jedes Schwerpunktthema neu erfunden und bleibt trotzdem durch ihren Charakter wiedererkennbar. Inhaltlich setzen die Macher auf radikale Stimmen und nicht auf kommerzielle Weiblichkeit. Wie viele neue Magazine heute bewegt sich Girls Like Us im Web – und seit drei Ausgaben auch im Printbereich.
Womankind
Womankind untergräbt die Vorstellung „Print is dead“ und funktioniert komplett werbefrei. Die Herausgeber haben sich so mehr Raum für Illustrationen erarbeitet, was dem Magazin eine Nominierung für den Stack Award einbrachte. Cover und Inhalt sind gefüllt mit Skizzen und illustrativen Abbildern der gefeatureten Frauen. Zunehmend setzt die Zeitschrift auch auf Fotografie und verleiht inzwischen einen eigenen Photographers’ Award. Die inhaltliche Tiefe der Textbeiträge zusammen mit dem sorgfältigen Layout sowie die Qualität der visuellen Präsentation haben das Magazin zu einem der beliebtesten Frauenmagazine in Australien gemacht.
Got a Girl Crush
Seit sieben Ausgaben gibt es das Magazin und auch bei Got a Girl Crush spielt der Online-Bezug eine große Rolle. Das Magazin entstand aus einem Online-Blog, durch den die Editoren die Chance haben, kreativ und innovativ zu arbeiten. Themen wie Politik, soziale Ungerechtigkeit und überzeugte Selbstbestimmtheit werden von der Kreativdirektorin Amanda Stosz halbjährlich in Szene gesetzt.